Pausenraum eines großen Dentallabors

Der Auftraggeber möchte in verschiedenen Räumen des Dentallabors die akustische Situation nachhaltig verbessern. Für diesen Zweck wurden raumakustische Messungen der Nachhallzeiten in zwei Räumen beauftragt, um die erforderlichen akustischen Maßnahmen adäquat planen zu können. Die Räumlichkeiten des Dentallabors befinden sich in einem denkmalgeschützten Backsteingebäude-Industriekomplex des späten 19., beginnenden 20. Jahrhunderts. Im zweiten Stockwerk ist das Labor ruhig gelegen, lichtdurchflutet und fern des Straßenlärms.
 
*Raumnutzung und Nachhallzeiten*
Der Aufenthaltsraum dient den Mitarbeitern des Dentallabors als Pausenraum, ferner auch als Raum der Entspannung. Darüber hinaus finden in diesem Raum aber auch regelmäßig Schulungen, Workshops und Seminare statt. Da die Mitarbeiter während der Arbeit einem leicht erhöhten Lärmpegel der Instrumente und Apparaturen ausgesetzt sind, ist dieser Raum eine akustische Insel innerhalb der Betriebsamkeit und von besonderer Wichtigkeit für das Arbeitsklima. Er ist verschließbar und wohnlich eingerichtet. DIN 18041 gibt für Räume dieser Größe (ca. 170m³) eine Soll-Nachhallzeit von ca. 0,7 Sekunden für das Raumnutzungsprofil Sprache vor; für die Raumnutzung durch Workshops, also einer unterrichtsähnlichen Situation, müssten sogar nur ca. 0,6 Sekunden veranschlagt werden. Aus diesem idealen Wert Tsoll ergeben sich rechnerisch die Normvorgaben in Form einer oberen und unteren Toleranzgrenze für die Nachhallzeiten im Frequenzspektrum.

 

In der linken, vereinfachten Abbildung erkennt man den gemäß DIN EN ISO 3382 gemessenen Frequenzgang der Nachhallzeit im Ist-Zustand. Tmax und Tmin markieren den Toleranzschlauch für das Raumnutzungsprofil "Unterricht" und machen deutlich, dass die vom Auftraggeber bemängelten akustischen Eigenschaften u.a. bereits hier abzulesen sind. Rechnerisch lässt sich darstellen, dass die Normvorgabe selbst dann nicht erfüllt wird, wenn der Raum mit 12 Personen besetzt sein würde.
 
 

 Einige akustische Problemzonen.....

*Gewölbedecken*
Gewölbedecken sind unter raumakustischen Gesichtspunkten als problematisch einzustufen, da Ihre konkave Form zu einer Brennpunktbildung bei Schallwellen führt. Raumakustisch relevant wird diese Eigenschaft dann, wenn der Kreisradius des Gewölbes größer als die halbe Raumhöhe ist: Die in diesem Raum befindlichen Gewölbesegmente besitzen eine Sehnenlänge von ca. 1,6 m und eine Höhe von 21 cm. Somit beträgt der Kreisradius 1,72m. Bei einer Deckenhöhe auf Scheitelebene von 3,71 m liegt der Kreismittelpunkt (Brennpunkt) bei ca. 2 m Raumhöhe, und damit oberhalb normalgroßer Personen. Von einer sehr problematischen Brennpunktbildung kann demnach Abstand genommen werden, da sich für alle Schallquellen unterhalb von 2 m Höhe die akustische Brennpunktbildung oberhalb des Brennpunkts (> 2m) ausprägt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich partielle Brennpunktbildungen benachbarter Gewölbesegmente in Bodennähe ausbilden und eine mit einer Flachdecke vergleichbaren Diffusität des Schallfeldes nicht erreichen lässt.

 

*Diffusität des Schallfeldes*
Der Raum besteht exklusive der Decke fast ausschließlich aus parallelen Flächen, die zudem auch noch relativ schallhart wirken.(Glattputz, Klick-PVC auf Estrich und Fensterglas ohne Vorhänge, die Austattung ist gering und überwiegend schallhart) Es sind somit die Voraussetzungen für die merkliche Ausprägung raumspezifischer Moden (stehende Wellen) und einer beeinträchtigten Schallfeldiffusität gegeben. Die durch die Raummaße möglichen, tieffrequenten Raummoden korrelieren mit den Messergebnissen der Nachhallzeit unterhalb von 125 Hz und beeinträchtigen sehr stark die Sprachverständlichkeit.
 
 
 *Flatterechos"
Die träge Absorptionsleistung des Raumes in Kombination großer Raummaße und schallharten, parallelen Flächen führen unweigerlich zu Echobildungen. Mit einer größten Raumlänge von 8,8m liegt der Raum bereits an der Wahrnehmungsschwelle für Echos/Flatterechos.
 
 
 

 

 .....und deren Konsequenzen

Neben der Nachhallzeitmessung und der Analyse der Oberflächenbeschaffenheiten und Raumgeometrien ist es der persönliche Höreindruck, der zwar nicht immer adäquat in Sprache zu setzen ist, der aber dennoch für die Beurteilung der akustischen Eigenschaften nicht fehlen darf. Im Gespräch mit dem Auftraggeber, welches in diesem Raum stattfand, wirkte der Raum nicht nur sehr hallig, sondern auch recht laut und nahezu raunend, etwas dröhnend, zumindest war eine tonhaltige Färbung des Gespräches deutlich wahrzunehmen. Ein unangestrengtes Zuhören war, wenn überhaupt, nur in unmittelbarster Nähe des Sprechers möglich.(sehr kleiner Hallradius)
 
Eine Workshop-Situation mit mehreren im Raum befindlichen Gesprächssituationen führt auf Grund der schlechten Sprachverständlichkeit zu einem gegenseitigen Aufschaukeln der jeweiligen Sprecherlautstärken, dem sogenannten Lombard Effekt. Das Gespräch der einen Gruppen erhöht den Störschallpegel für eine andere Gruppe, welche automatisch die Lautstärke im Gespräch anheben wird, was wiederum denselben Effekt auf eine weitere Gruppe besitzt usw.. Innerhalb kurzer Zeit ist der Raum angefüllt mit sehr laut sprechenden Personen und äußerst angestrengten Hörern, die nach Verlassen des Raumes noch weiterhin mit erhobener Stimme weitersprechen werden. (Dieser Effekt ist häufig bei gerade abgeholten Kindern aus akustisch problematischen Kitas zu beobachten)
 
 

Lösungen

Da der Auftraggeber von vornherein die Installation einer vollflächigen Decke ausgeschlossen hatte, um den ästhetischen Eindruck der Räumlichkeiten nicht zu brechen, fiel die Wahl auf die im Handel üblichen und vielseitig einsetz- und gestaltbaren Deckensegel und Wandabsorber. Da wir nicht an einzelne Hersteller gebunden sind, ist nahezu jeder Wunsch in die Berechungen einfügbar. Nach ausgiebiger Recherche und Beratung fiel die Wahl auf 8 schachbrettartig angebrachte Deckensegel und auf die Installation von akustisch wirksamen Wandbildern. (detaillierte Angaben zu Herstellern und notwendigen Absorbtionsflächen/graden nicht öffentlich) Auf diese Weise unterbindet man nicht nur die drohenden Brennpunktbildungen durch die Gewölbesegmente an der Decke, sondern sorgt zusätzlich für ein homogeneres Absorbtionsverhalten und mindert Echobildungen. Die untere Abbildung zeigt den rechnerisch ermittelten Nachhallzeitverlauf für eine ähnliche Absorbervariante.
 
Wie man in der rechten Abbildung erkennen kann, ist mit dieser Absorbervariante die Normvorgabe ab 400 Hz erfüllt. Die Reduktion der Nachhallzeit tieferer Frequenzen ist durch den erheblichen Kostenaufwand oder dem notwendigen ästhetischen Eingriff (Kantenabsorber/Helmoltzresonatoren etc.) in die Raumwirkung in einem weiteren Schritt erneut auf Sinnfälligkeit zu prüfen. In der Summe ergeben sich vier wesentliche raumakustische Maßnahmen:
  1. Nachhallzeitreduktion durch Installation zusätzlicher Absorptionsflächen gemäß Vorgabe
  2. Unterbrechung der Schallwege zwischen Gewölbedecke und Boden
  3. deutliche Verbesserung der Diffusität des Schallfeldes (hierfür sind alle möglichen
    Einrichtungsgegenstände wirksam, an denen der Schall reflektiert, gebeugt oder absorbiert werden kann. Beispielsweise Pflanzen, Tischdecken, Bücher, Bilder an der Wand, Vorhänge, etc. – Es sind auch hocheffiziente Schalldiffusoren im Handel erhältlich)
  4. Vermeidung von Flatterechos entlang der längsten Raumlänge durch Schallwegeunterbrechung und Anbringung von Wandabsorbern (8,8m),

die in einem mehrphasigen Optimierungsprozess umzusetzen sind.